50X50X50 LANDGEWINN
präsentiert die Werke aktueller Südtiroler Künstlerinnen und Künstler in einer großen, zweiteiligen Übersichtsausstellung in der Festung Franzensfeste und im Hofburggarten von Brixen.
Nach den ersten drei erfolgreichen Ausstellungen 2011, 2013 und 2015 in der Festung Franzensfeste ist 50X50X50 ART SÜDTIROL zur umfangreichsten Ausstellung aktueller Kunst aus Südtirol geworden. Über 90 der wichtigsten Künstlerinnen und Künstler Südtirols haben dort bereits ihre Werke präsentiert. In ihrer vierten Auflage wird die 50X50X50 ART SÜDTIROL 2017 zur 50X50X50 LANDGEWINN.
50X50X50 LANDGEWINN zeigt die Werke von über 50 der wichtigsten, zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler Südtirols, die sich in hervorragender Weise ausgezeichnet haben, an zwei Standorten. Wie gewohnt sind die Räume der Festung Franzensfeste beeindruckende Schauplätze der Kunst. Gleichzeitig ist 50X50X50 LANDGEWINN eine Freiluftausstellung im einmaligen Ambiente des Hofburggartens von Brixen.
Die Künstlerinnen und Künstler und ihr Werk sind die Protagonisten der 50X50X50 LANDGEWINN. Ihre Themen sind die Themen der Ausstellung. Dabei nutzen sie die gesamte Bandbreite modernen Kunstschaffens mit ihren unterschiedlichsten Ausdrucksformen.
Gemeinsam ist ihnen neben ihrem Willen und der Leidenschaft zur Kunst ihr Bezug zu Südtirol. Einige sind hier geboren und aufgewachsen, leben und arbeiten nun aber im Ausland, andere sind nach Studienaufenthalten nach Südtirol zurückgekehrt, wieder andere sind aus fernen Ländern stammend hier heimisch geworden.
50x50x50 LANDGEWINN bietet den Besuchern in großartigen, historischen Kulissen einen einzigartigen Überblick über das aktuelle Kunstschaffen Südtirols, das durch seine Breite und Tiefe überzeugt.
Hartwig Thaler
Eröffnungsrede 50x50x50 LANDGEWINN 2017
Vor allen aber danke ich den Künstlerinnen und Künstlern der 50x50x50 LANDGEWINN. Sie sind es, die hier alles wagen, die mit Leidenschaft und Hingabe uns das zeigen, was sie auf ihrem künstlerischen Weg, der immer auch ein persönlicher ist, entdeckt haben.
Kunst geschieht nicht im Namen irgendeines Geschäftsplanes, erfüllt keine Erfolgskriterien, schließt keinen Bausparvertrag, dient keinem Heilsversprechen. Kunst rechnet nicht sondern wagt. Kunst wagt sich vor ohne Sicherungsnetz. Sucht, wonach gesucht werden muss. Sie sucht das weite, freie, geistige Land in unserem Inneren. Der Landgewinn, den die Kunst sich vornimmt, ist ein geistiger, innerer, der ohne Missgunst, Ausbeutung und Krieg vor sich geht. Er zerstört niemandes Haus, vergiftet niemandes Brunnen, stiehlt niemandes Glauben. Kunst will ein Land gewinnen, das groß und reich genug für alle und alles ist, um in Frieden miteinander die Wundern des Lebens anzustaunen und Stück für Stück, Werk für Werk gelingt ihr das auch. Der Landgewinn der Kunst ist in den Köpfen und Herzen jener
verzeichnet, die die Kunst als Schöpfer oder Betrachter mit in ihr Leben genommen haben.
Hartwig Thaler
Künstlerischer Leiter
50x50x50 LANDGEWINN
präsentiert die Werke aktueller Südtiroler Künstlerinnen und Künstler in einer großen, zweiteiligen Übersichtsausstellung in der Festung Franzensfeste und im Hofburggarten von Brixen.
50x50x50 LANDGEWINN ist die umfangreichsten Schau aktueller Kunst aus Südtirol.
sind zahlreiche, führende Unternehmen.
Durch ihren Einsatz förden sie die kulturelle und künstlerische Entwicklung Südtirols.
Die Künstlerinnen und Künstler der 50x50x50 LANDGEWINN 2017
Der Verein Oppidum von Franzensfeste
mit dem Präsidenten Thomas Klapfer
von Selma Mahlknecht
Margaret Henderson: What's outside of Pleasantville?
[pause]
David: There are some places that the road doesn't go in a circle.
There are some places where the road keeps going.
Margaret Henderson: Keeps going?
David: Yeah, yeah. It just keeps going. It all keeps going.
Dialog aus dem Film Pleasantville, 1998
Als Kind hatte ich eine große Faszination für Tarzan, jenen Dschungelmenschen, der melodiöse Potenzjodler ausstieß, die Sprache der Tiere beherrschte und in einem komfortablen Baumhaus lebte. Am meisten gefiel mir aber Tarzans Art, sich durch das Dickicht des Urwalds zu bewegen: von Liane zu Liane schwingend, ein Luftakrobat, der keine Bodenhaftung nötig hat. Nur zu gern hätte auch ich mich so geschmeidig von Baum zu Baum gehangelt, hoch über den Köpfen derer, deren Gesellschaft ich vermeiden wollte (und davon gab es genug). Leider blieb mein Traum ein solcher – die Begegnung mit den Unliebsamen, den Fremden und Beängstigenden war unvermeidlich. Natürlich hat mir das nicht gefallen. Für meine Entwicklung war es jedoch sehr wichtig und bereichernd. So verständlich der Wunsch ist, dem Irritierenden, Verstörenden, Verletzenden auszuweichen, so unerlässlich ist es doch, den Umgang damit zu lernen und dadurch unter Umständen sogar zu lernen, das Andere zu respektieren, zu verstehen und – im besten Falle – es sogar liebzugewinnen. All das wusste ich als Kind natürlich nicht. Ich sah nur Tarzans Überlegenheit, seine athletischen Sprünge im Geäst, und ich fragte mich gar nicht, wie es kam, dass immer in der Richtung, in die er gerade hinwollte, praktischerweise eine weiterführende Liane zur Verfügung stand. Der Dschungel, nahm ich an, sei voller Lianen, die miteinander ein dichtes Netz von Anknüpfungsmöglichkeiten ergäben, die prinzipiell in jede gewünschte Richtung führten. Was ich nicht bedachte: Um sich so sicher und rasch im Urwald zu bewegen, muss selbst einer wie Tarzan die einzelnen Pfade wieder und wieder erprobt haben, und sogar er bewegt sich nicht völlig frei, sondern nach den vorgegebenen Umständen, die er antrifft. Wie bei einem U-Bahn-Netz entstehen so fixe Wege mit definierten Stationen und „Umsteigemöglichkeiten“. Tarzan als Prototyp des Affenmenschen im Großstadtdschungel. Wer hätte das gedacht? Aber es geht noch weiter: Mein Traum vom losgelösten Schwingen hoch über dem Unerwünschten, Unangenehmen, Störenden ist längst Realität geworden, und zwar in jenen Räumen, die wir zu Unrecht als „virtuelle“ bezeichnen. Das Internet ist die ultimative Wildnis – unermesslich, chaotisch, geheimnisvoll und undurchdringlich. Doch wir bewegen uns nicht frei darin. Wir hangeln uns von Link zu Link – und wir haben unsere fixierten Routen, unsere Bezugspunkte, unsere Baumhäuser. Der Begriff „Filterblase“ beschreibt dieses Phänomen nur ungenau, da er die Vorstellung einer geschlossenen Sphäre erzeugt. Zutreffender wäre das Bild eines Netzsystems, das sich durchaus verschiedentlich verzweigt, letzten Endes aber doch eine Zirkelroute erzeugt. Falls Sie den Film Pleasantville über die gleichnamige idyllische Stadt (etwas salopp übersetzbar als „Angenehmhausen“) kennen, ist Ihnen vielleicht auch jene Szene im Gedächtnis, in welcher die Lehrerin der Klasse die Geographie von Pleasantville näherbringt: Jede Straße führt zurück in die Stadt hinein, es gibt keinen Ausweg. Diese Selbstreferenzialität begegnet uns auch bei Tarzan – am Ende ist er zwar Herr des Dschungels, aber er ist auch dessen Gefangener. Um den Dschungel zu verlassen, müsste er schon zu Fuß gehen. Ein unvorstellbarer Stilbruch. Vor allem: Warum sollte er das tun? Der Dschungel bietet ihm alles, was er braucht. Geschichten, die Tarzan außerhalb des Dschungels Abenteuer bestehen lassen, laufen letzten Endes immer auf dieselbe Erkenntnis hinaus: Nur in seinem Dschungel kann Tarzan wirklich glücklich sein. Dieselbe Mentalität haben auch die Bewohner des Schwarz-Weiß-Städtchens Pleasantville: Hier geht es uns gut, hier ist es angenehm, idyllisch, friedvoll. Eine Welt da draußen? Gibt es nicht. Und falls es sie doch gibt, geht sie uns nichts an. Erst im weiteren Verlauf des Films zeigt die Idylle Risse, das Schwarz-Weiß-Muster wird aufgebrochen, Farbe kommt ins Spiel. Eine der Schlüsselszenen zeigt den begabten Amateurmaler Bill Johnson, der bisher nur mit Schwarz und Weiß gearbeitet hat und zum ersten Mal einen Kunstband voller Gemälde in den leuchtendsten Farben öffnet – ein geradezu elektrisierender Moment für ihn. Das alles gibt es also auch noch?!
Und die Reaktion der anderen Bewohner? Wut. Empörung. Opposition. Das Neue, Bunte, Unbekannte wird bekämpft – mit allen Mitteln. Das ist nicht mehr das Pleasantville, das wir kannten!
Natürlich hilft am Ende alles nichts und Pleasantville wird zu einer bunten, offenen Stadt. Die moralische Lektion ist ebenso vorhersehbar wie unrealistisch. Wir brauchen nur an unser eigenes Pleasantville zu denken, das wir uns über die Jahre erschaffen haben. Wir haben unsere Stammtische, unsere täglichen Routen, unsere Fixtermine, unsere Wohlfühloasen. Das gibt uns Sicherheit, Geborgenheit, das gute Gefühl, alles im Griff zu haben – wie Tarzan seine Lianen. Wenn wir im Internet die immer gleichen Links und Webseiten anklicken, wenn wir uns auf Seiten weiterleiten lassen, die uns empfohlen werden, wenn wir auf uns zugeschnittene Werbung sehen, die unsere vorherigen Suchanfragen berücksichtigt, dann fühlen wir uns frei und sind doch Reisende auf sehr starren Schienen, die immer nur im Kreis fahren. Hier noch dem Fremden, Unerwarteten, Verstörenden, Aufschreckenden zu begegnen, ist nicht erwünscht. Wir sollen uns ja wohlfühlen in unserem ganz individuellen Angenehmhausen. Wenn doch ein Störsignal dazwischenfunkt, steht uns ein Arsenal an Maßnahmen zur Verfügung. Wir können wegklicken, blockieren, ausblenden, entfreunden, und schon ist die Idylle wiederhergestellt. Ich gebe es zu: Auch ich weiß diese Funktionen durchaus zu schätzen. Die Schattenseiten eines offenen Internets, in dem man jederzeit angestupst, von der Seite angelabert, dumm angemacht und offen beleidigt werden kann, habe ich selbst oft genug zu spüren bekommen. Es tut gut, dem einen Riegel vorschieben zu können. Und doch sollte man nicht allzu vorschnell handeln. Die Begegnung mit dem Irritierenden – ich habe es schon erwähnt – kann einen auch weiterbringen. Wenn man aber erst einmal seine Filter aktiviert hat, wenn man seine Suchanfragen optimiert, seine Favoriten festgelegt und seine Social-Media-Rituale verinnerlicht hat, dann ist es schwierig, aus den Kreisläufen auszubrechen. Wir müssten uns schon auf ganz neue Seiten, auf ganz neue Räume des Internets einlassen, um etwas wirklich Anderes kennenzulernen. Dazu fehlt uns oft die Zeit, noch öfter aber fehlt uns auch ganz einfach das Wissen, wie wir diese Seiten öffnen, diese neuen Räume erschließen können. Sicher, wir können auf Wikipedia den Zufallsartikel des Tages lesen. Wir können auf YouTube auf gut Glück ein Video anklicken, das auf der Startseite erscheint. Wir können den Link öffnen, den diese verschrobene Facebook-Bekanntschaft teilt, die wir nur als Freundin akzeptiert haben, weil sie die Schwester eines Arbeitskollegen ist. Aber all diese Maßnahmen führen zu nichts. Sie bewegen sich noch immer viel zu nahe am Altbekannten. Wer die ausgetretenen Pfade wirklich verlassen will, muss wie Tarzan von den Bäumen herabsteigen und – zu Fuß gehen. Ganz konkret. Er muss neue Räume aufsuchen, indem er sich auf Wanderschaft begibt. Das ist aufwendig. Mühsam. Oft auch schmerzhaft, wenn man die falschen Schuhe gewählt hat oder nicht damit gerechnet hat, dass der Pfad so steil und steinig wird. Aber unterwegs macht man die überraschenden Entdeckungen. Die Distel am Wegesrand. Der rüttelnde Turmfalke. Der unheimliche Mitmensch, verschwitzt und fremdsprachig. Das eigenartige Gebilde, bei dem wir uns fragen: Ist das Kunst oder kann das weg? Hier greifen keine Filter, keine Blockaden. Der Zusammenprall ist unvermeidlich. Kein Wunder, dass die Realität nicht den besten Ruf hat. Immer schlimmer werde es mit uns. Also nicht mit uns. Sondern mit der Menschheit – und das sind nicht wir, das sind die anderen. Was sich auf den Straßen herumtreibt! Wie die aussehen! Was die machen! Man kann sich nicht mehr frei bewegen. Wer weiß, was da alles passieren könnte. Man hört ja so allerlei. Wenn wir heute in die Realität hinaustreten, sind wir gewappnet. Wir fahren unsere Schutzschilde hoch. Niemanden zu nahe heranlassen. Auf nichts eingehen. Sonst stehen wir am Ende mit einem Packung Papiertaschentücher da, für die wir 20 Euro bezahlt haben. Nein, der öffentliche Raum ist nicht idyllisch und heimelig. Seine Unheimeligkeit und damit seine Unheimlichkeit, seine Unberechenbarkeit und seine vulgäre Aufdringlichkeit bedrücken uns. Wir wünschen uns Schutz vor Verstörung, Vandalismus, Aufrüttelung. Kein Wunder, dass wir uns lieber ins Private zurückziehen wollen, wo wir uns vor unliebsamen Überraschungen sicher und von Bestätigung, Bestärkung und Bewunderung umpolstert wähnen. Doch die Gemütlichkeit unserer selbstgeschaffenen Echokammer trügt: Die bestürzendste Begegnung, die uns im Leben widerfährt, kann auch sie nicht verhindern, nämlich die Begegnung mit unserem anderen Selbst. Das Unheimliche, Niederträchtige und Abscheuliche ist genauso ein Teil unserer Innenwelt wie unserer Außenwelt. Erst wenn wir das begreifen, hat unsere Flucht ein Ende. Wir müssen lernen, uns zu stellen, auch wenn es sich wie eine Auslieferung anfühlt. Wir müssen uns dem Unheimlichen da draußen und da drinnen stellen, wir müssen ihm ins Auge sehen und es auszuhalten lernen. Aushalten, ertragen, dulden – nichts anderes bedeutet das Wort Toleranz. Unser Lebensweg mündet nicht in einem ewigen Zirkel. It just keeps going, wie es im Film Pleasantville heißt. Uns trotzdem auf den Weg zu machen, das Unbekannte zu wagen, das Fremde zu tolerieren – nur so können wir Bereicherung erfahren, nur so können wir neue Räume öffnen, nur so können wir Land gewinnen.
Verlassen wir unsere Wohlfühlnischen, lassen wir die Baumhäuser und Lianen-Parcours hinter uns. Betreten wir den buckligen Boden der Tatsachen. Setzen wir einen Schritt nach dem anderen. Unsere innere Landkarte hat noch viele weiße Flecken. Füllen wir sie.
Träger
die Ausstellung 50x50x50 LANDGEWINN
wird vom Landemuseum Festung Franzensfeste
und dem OPPIDUM VEREIN Franzensfeste
und Brixen Tourismus Genossenschaft getragen.
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